Liebe, Sexualität und mehrMythos „Jungfrau“ – Wie das Hymen wirklich aussieht

• Mit dem Begriff „Jungfrau“ wird üblicherweise eine Person beschrieben, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatte.
  Achtung: „Jungfrau“ ist kein medizinischer oder wissenschaftlicher Begriff, es handelt sich um ein gesellschaftliches Konzept.
   
• In unserer Gesellschaft wird beim Sprechen über „Geschlechtsverkehr“ meistens von sogenanntem „vaginalen Penetrationssex“ ausgegangen, das bedeutet, dass ein Penis in eine Vagina eingeführt bzw. von dieser aufgenommen wird.
  Die folgenden Texte auf dieser Seite beziehen sich größtenteils auf vaginalen Penetrationssex, da es beim Thema „Jungfrau sein“ und „Jungfernhäutchen“ meist um diese Form von Sex geht.
   
• „Geschlechtsverkehr“ oder „Sex“ kann aber auf ganz vielfältige Weisen stattfinden, das Einführen/ Aufnehmen eines Penisses kann, muss aber keineswegs dazugehören. Was Menschen unter „Sex“ verstehen, welche Körperteile sie dabei einbeziehen und was sich für jede Person schön anfühlt, ist sehr verschieden.

• Das Hymen ist ein weicher, dehnbarer Hautrand an der Vaginalöffnung, der ganz unterschiedlich aussehen kann. Er verschließt die Öffnung nicht. Verschiedene Formen siehst du in der Abbildung.
   
• Mythos „Jungfrau“: Viele stellen es sich so vor, dass das Hymen als dünne Haut die Vagina verschließt und beim ersten Sex mit dem Penis durchstoßen werden muss. Das ist falsch.

• Das kann passieren, wahrscheinlich aber nicht. Man weiß aus Befragungen, dass es bei mehr als der Hälfte beim ersten Sex nicht blutet! Das Hymen ist meistens so elastisch, dass es dem Penis einfach Platz macht und nach außen weicht. Wir wiederholen es nochmal, weil viele Menschen hierzu Falschwissen haben: Es muss nicht bluten, und auch nicht einreißen oder wehtun. Die Vorstellung, dass es durch das Einreißen des Hymens beim ersten Mal immer blutet, ist falsch.
   
• Wenn es beim ersten Sex nicht blutet, heißt das also nicht, dass man vorher schon mal Sex hatte – man gehört einfach zu der Mehrheit, die nicht blutet.
   
• Wenn es beim ersten Mal blutet, muss es nicht das Hymen sein, es können auch kleine Verletzungen in der Schleimhaut der Vagina sein, die durch die ungewohnte Reibung entstehen. Das kommt vor allem vor, wenn die Vagina nicht feucht ist, oder die Bewegungen mit dem Penis zu stark sind. Sprecht unbedingt miteinander, was sich gut anfühlt und was nicht!

• Ein*e Sexpartner*in kann nicht spüren, ob man vorher schon Geschlechtsverkehr hatte oder nicht (weder mit den Fingern, noch am Penis).
   
• Auch Ärzt*innen können durch eine gynäkologische Untersuchung nicht sicher feststellen, ob schon Sex stattgefunden hat oder nicht. Das weiß nur die Person selbst.

• In manchen Kulturen und / oder Religionen wird besonders von den Frauen erwartet, dass sie bis zur Hochzeit keinen Sex haben. Ihr „unverletztes“ Hymen soll das beweisen.
   
• Deshalb werden immer wieder ärztliche Bescheinigungen über die „Jungfräulichkeit“ der Frau gefordert. Manchmal stellen Ärzt*innen diese auch aus, um die Betroffenen zu schützen.
   
• Manche Frauen bitten darum, dass ihr Hymen wieder zusammen- oder enger genäht wird. Sie hoffen, dadurch in der Hochzeitsnacht auf jeden Fall zu bluten. Aber auch das ist nicht garantiert! Also sollte man sich gut überlegen, ob man sich dem Risiko eines unnötigen Eingriffs unterzieht, durch den es sogar zu Narbenbildungen, Schmerzen oder anderen Beschwerden (auch beim Sex) kommen kann..
   
• Egal, wann du zum ersten Mal Geschlechtsverkehr hat, ob vor oder nach der Hochzeit – wichtig ist, dass du selbst über deinen Körper und deine Sexualität entscheiden darfst. Und dazu gehört unbedingt, dass man Frauen, genau wie Männern, auch ohne sichtbaren Beweis glaubt, dass sie noch keinen Sex hatten. Natürlich ist es gut, wenn beide Partner*innen offen darüber sprechen können und Bescheid wissen, wie viel Erfahrung jede*r hat.

• Ja, Du kannst problemlos Tampons benutzen. Der Tampon passt beim Einführen durch die dehnbare Öffnung des Hymens und verletzt dieses nicht.
   
• Das Einführen des Tampons in die Vagina hat auch nichts mit Selbstbefriedigung oder Geschlechtsverkehr zu tun.
   
• Egal, welchen Sport du ausübst, das Hymen reißt nie durch sportliche Betätigung (z. B. Spagat oder Fahrradfahren), denn dabei dringt ja nichts in die Vagina ein.

Mangler M et al.: Vom “Jungfernhäutchen” zur Corona vaginalis?. Die Gynäkologie 2022; 55:810-818.

Mishori R et al.: The little tissue that couldn’t – dispelling myths about the Hymen’s role in determining sexual history and assault. Reproductive Health 2019; 16:74.

Sewell K K et al.: Sexual Behavior, Definitions of Sex, and the Role of Self-Partner Context Among Lesbian, Gay, and Bisexual Adults. The Journal of Sex Research 2017;54(7):825-831.