Liebe, Sexualität und mehrFGM_C - Eine gefährliche Tradition

In vielen Gesellschaften wird von Mädchen erwartet, dass sie die Ehre der Familie schützen,
indem sie „jungfräulich“ in die Ehe gehen, also zuvor keine sexuellen Erfahrungen gemacht haben. Um die „Jungfräulichkeit“ zu erhalten, sind Bräuche entstanden, die die weibliche Lust und die sexuelle Selbstbestimmung unterdrücken.

Was bedeutet FGM_C?

Einige Menschen sprechen von weiblicher Genitalbeschneidung, andere von Genitalverstümmelung. Offiziell wird die englische Abkürzung FGM_C benutzt. Sie steht für Female Genital Mutilation / Cutting.
FGM_C bezeichnet eine äußerst schädliche und gefährliche traditionelle Praktik, bei der eine teilweise oder komplette Entfernung bzw. Verletzung der äußeren Genitalien vorgenommen wird. Sie stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar.

Und welche Folgen kann das haben?

FGM_C hat nicht nur katastrophale Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit der Betroffenen, sondern auch für deren gesamtes späteres sexuelles Empfinden und Sexualleben. Viele sterben sogar infolge des Eingriffs an Blutverlust, Schock, Infektionen o. Ä.
Langzeitfolgen können Schmerzen, Störungen der sexuellen Lust, Depressionen, Angststörungen und Vertrauensverlust sein – aber auch schmerzhafte Regelblutungen, chronische Infektionen, Unfruchtbarkeit sowie Schwierigkeiten im Verlauf von Schwangerschaft und Geburt.

Darstellung der verschiedenen Typen / Vorgehensweisen bei FGM_C 
 
Typ I: Teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris-Eichel und / oder der Klitorisvorhaut.     
Typ II: Teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris und der inneren Labien, mit oder ohne Entfernung der äußeren Labien     
Typ III: Verengung der Vaginalöffnung: Nach Entfernung der Labien / Klitoris-Eichel wird durch Zusammennähen der Wundränder ein  Hautverschluss geschaffen, der oft vernarbt und nur eine minimale Öffnung der Vagina für das Abfließen von Urin, Weißfluss und Menstruationsblut belässt.     
Als Typ IV werden weitere schädliche Praktiken bezeichnet, die die Vulva verletzen und keinem medizinischen Zweck dienen.

Wer ist betroffen?

FGM_C wird seit Jahrtausenden praktiziert, ist also leider tief in einigen Kulturen verankert. Diejenigen, die über die Praktik entscheiden oder diese an den Mädchen durchführen, sind oft schwer zu erreichen und noch schwerer zu überzeugen, dieses Vorgehen zu beenden.
Glücklicherweise gibt es inzwischen viele Präventionsprojekte, die versuchen, FGM_C zu verhindern. Leider muss man trotzdem davon ausgehen, dass heutzutage weltweit mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen davon betroffen sind.
Bisher ist dokumentiert, dass FGM_C traditionellerweise in 30 Ländern Afrikas, auf der arabischen Halbinsel und in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas ausgeübt wird.
In Deutschland leben schätzungsweise mehr als 60.000 Betroffene, zwischen 2.700 und knapp 15.000 Mädchen gelten als gefährdet.

Warum wird FGM_C praktiziert?

FGM_C ist eine tief verankerte und jahrtausendealte Tradition. Die Begründungen für die Durchführung dieser Praktik sind vielfältig.
Meist wird die Tradition („das wurde schon immer so gemacht“) als Grund angeführt, weitere Begründungen kommen aus der Religion, dem Rollenverständnis von Frauen, Familie und Ehe in diesen Gruppen, von medizinischen Mythen (also Falschwissen) oder aus wirtschaftlichen Interessen (höheres Brautgeld, bessere Heiratschancen).
Gleichzeitig werden Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Mädchen / Frauen verhindert, sie werden unterdrückt, gedemütigt und kontrolliert.

Wie ist die Rechtslage?

FGM_C gilt als schwere Menschenrechtsverletzung und ist in Deutschland nach §226a StGB verboten.
Auch die Durchführung von FGM_C im Ausland („Ferienbeschneidung“) ist eine Straftat.

  • Eine drohende Genitalverstümmelung im Heimatland gilt in Deutschland als Asylgrund.
     
  • Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein Menschenrecht, das natürlich auch für alle Kinder gilt. Eingriffe in die Unversehrtheit von Kindern – mit Ausnahme medizinisch notwendiger Behandlungen – dürfen weder mit Herkunft, Religion noch Tradition gerechtfertigt werden.

Und wo gibt es Hilfe?

Du wünschst mehr Informationen oder möchtest ein von FGM_C bedrohtes Mädchen oder dich selbst schützen?

Hilfe findest du über

  • das Hilfe-Telefon 08000-116016 (Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – Unterstützung für Frauen in Not),
  • das Netzwerk Integra oder
  • das Jugendamt bei dir vor Ort.
  • das BMFSFJ, wo es z. B. für Reisen den Schutzbrief gegen Genitalverstümmelung gibt (Schutz vor „Ferienbeschneidung“).

Quellen

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ministerin Giffey stellt Zahlen zu weiblicher Genitalverstümmelung vor. Pressemitteilung vom 25.06.2020. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/ministerin-giffey-stellt-zahlen-zu-weiblicher-genitalverstuemmelung-vor-156804 (abgerufen 20.03.2023).

WHO: Female genital mutilation. Fact sheet Stand 23.01.2023. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation (abgerufen 20.03.2023).

Zerm C: Weibliche Genitalverstümmelung. Was müssen Kinder- und Jugendärzte über die genitale Beschneidung von Mädchen wissen? – Zahlen, Daten, Fakten. pädiatrische Praxis 2014; 82:59–72.

Stand 20. März 2023

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